Bilanz Nachlassakquise

31. Juli 2017

Im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft werden mittlerweile rund 320 Vor- und Nachlassbestände Wissenschaftlicher Mitglieder der Max-Planck-Gesellschaft sowie weiterer Personen von wissenschaftshistorischer Bedeutung aufbewahrt. In den vergangenen zweieinhalb Jahren konnte die III. Abteilung des Archivs um etliche Vor- und Nachlässe erweitert werden. So gab es von Januar 2015 bis Juli 2017 insgesamt 23 Neuübernahmen und 9 größere Nachlieferungen zu bereits vorhandenen Archivbeständen. Zudem wurden mehrere, z. T. sehr umfangreiche (auch in früherer Zeit schon übernommene) Vor- und Nachlassbestände erschlossen.

Insgesamt handelt es sich um ca. 120 lfm Übernahmen und 95 lfm Neuerschließungen in den Jahren 2015 bis 2017.

Zu den neueren Übernahmen gehören die Unterlagen u. a. folgender Wissenschaftler:

  • Leo De Maeyer (Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie),

  • Ulrich Drobnig (Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht),

  • Wilhelm Feuerlein (Max-Planck-Institut für Psychiatrie - Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie),

  • Peter Gruss (Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie),

  • Ernst Rabel (Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht)

  • Joachim E. Trümper (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik)

  • Matthias Winner (Bibliotheca Hertziana)

  • Wolfhart Zimmermann (Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik)

Des Weiteren steht demnächst die Übernahme acht bereits bewerteter Vor- und Nachlässe (fünf Neuübernahmen und drei Nachlieferungen) aus den Bereichen Physik und Friedensforschung, Entwicklungsbiologie, Biogeochemie, Kognitionswissenschaften, Strafrecht und Völkerrecht an.

Größere und aufwändigere/bedeutendere Erschließungen, die in letzter Zeit abgeschlossen werden konnten, betreffen u. a. die Nachlassbestände:

  • Peter Berthold (20 lfm)

  • Leo De Maeyer (2 lfm)

  • Norbert Hilschmann (2 lfm)

  • Reinhold von Sengbusch (3 lfm)

  • Werner Heisenberg (28 lfm)

  • Ernst Rüdin (1 lfm)

  • Carl Friedrich von Weizsäcker (32 lfm)

  • Matthias Winner (4 lfm)

  • Hans F. Zacher (30 lfm)

Zu den neu übernommenen Vor- und Nachlässen wurden Deposital- oder Schenkungsverträge abgeschlossen, die nicht nur die Eigentumsfrage, sondern insbesondere die Nutzung der Unterlagen durch die historische Forschung regeln. Auf Grund der archivrechtlichen Schutzfristen sowie individueller vertraglicher Bestimmungen sind noch nicht alle der übernommenen Vor- und Nachlassbestände uneingeschränkt zugänglich.

Näher gekennzeichnet werden sollen hier einige der für die Forschung bereits zugänglichen Bestände:

 

Die Findmittel zu diesen sowie weiteren Beständen finden Sie

unter unserer neuen Online-Beständeübersicht

 

Joachim-Dieter Bloch (AMPG, III. Abt., Rep. 124)

Joachim-Dieter Bloch (1906-1945) war ein deutscher Jurist, der nach 1933, obwohl als „Vierteljude“ geltend, als Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht gehalten wurde, dem Widerstand gegen Hitler nahe stand und in den letzten Kriegstagen 1945 tragischer Weise von einem Angehörigen der Roten Armee erschossen wurde.

Der Nachlass ist (bereits beim Nachlassgeber) durch Unterlagen der Eltern, Walther Bloch und Else Bloch-Wunschmann, sowie der Ehefrau Rosemarie Bloch angereichert worden und enthält hauptsächlich Korrespondenz und Werkmanuskripte. Zudem gibt er in einigen wenigen Dokumenten auch Aufschlüsse über das Institutsleben. Die Nachlassunterlagen von Joachim-Dieter Blochs Vater, des Verlagsbuchhändlers Walther Bloch, werden im Deutschen Literaturarchiv Marbach aufbewahrt.

Umfang: Der Bestand umfasst 0,7 lfm; die Gesamtlaufzeit reicht von ca. 1890 bis 1965.

Literatur: Max Bloch, Dr. Joachim-Dieter Bloch (1906-1945). Ein Juristenleben am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, in: ZaöRV 74 (2014), S. 1-6.

Verwandte Bestände: I. Abt., Rep. 47, KWI für Ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht; III. Abt., Rep. 44, Carl Bilfinger; III. Abt., Rep. 95, Alexander N. Makarov; III. Abt., ZA 139, Hermann Mosler

 

 

Johannes Heydenreich (AMPG, III. Abt., Rep. 123)

Johannes Heydenreich (1930-2015) leitete von 1975 an das am Institut für Festkörperphysik und Elektronenmikroskopie (IFE) der Akademie der Wissenschaften der DDR gegründete Internationale Zentrum für Elektronenmikroskopie. Nach der Wiedervereinigung wurde das IFE geschlossen. In der Folge wurde Heydenreich 1992 zu einem der Gründungsdirektoren des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle berufen. Das Institut war das erste seitens der MPG gegründete Institut in den neuen Bundesländern. 1996 wurde Heydenreich emeritiert.

Der Nachlass beinhaltet sowohl Unterlagen des IFE und des MPI. In wissenschaftshistorischer Hinsicht sind die Unterlagen der Übergangszeit besonders interessant, da sie einen Einblick in die Rahmenbedingungen der Wissenschaft während einer politischen Umbruchphase ermöglichen.

Umfang: Der Bestand umfasst 3 lfm; die Gesamtlaufzeit reicht von 1964 bis 2003.

  

 

 

 Ernst Rabel (AMPG, III. Abt., Rep. 116)

Mit der Übernahme des Nachlasses Ernst Rabel (1874-1955) erfolgte eine seit langer Zeit angestrebte Einwerbung. Zwar handelt es sich um einen nicht sehr umfangreichen, dafür aber prominenten Nachlassbestand, der auf den Gründungsdirektor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht zurückgeht. Die Übernahme des Nachlasses kann als außergewöhnlich gelten: Die aus verschiedenen Provenienzen zusammengetragenen Unterlagen befanden sich über mehrere Jahre in Ernst Rabels Überseekoffer verschlossen im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, bevor sie im März 2015 in Folge längerer Verhandlungen ins Archiv der MPG nach Berlin gelangten. Nach der Erschließung erfolgte 2016 die vollständige Digitalisierung des Nachlassbestands in Kooperation mit dem Hamburger Institut.

Der Nachlass ist angereichert mit Unterlagen zur Familie.

Umfang: Der Bestand umfasst 1 lfm; die Gesamtlaufzeit reicht von ca. 1844 bis 1986.

Literatur: Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht 1926-1945 (Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus 9), Göttingen 2008; Ernst Rabel (1874-1955). Schriften aus dem Nachlass "Vorträge - Unprinted Lectures", Einführung und hrsg. v. Jürgen D. Thieme, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 50 (1986)

Verwandte Bestände: I. Abt., Rep. 37, KWI für ausländisches und internationales Privatrecht; III. Abt., ZA 130, Nachlass Konrad Zweigert; III. Abt., ZA 129, Nachlass Hans Dölle

 

 

Ernst Schiebold (AMPG, III. Abt., Rep. 79)

Bekannt geworden ist der Mineraloge Ernst Schiebold (1894-1963) durch seine Pionierleistungen auf dem Gebiet der Materialuntersuchung mittels Röntgenstrahlung. 1922 ging Schiebold an die Abteilung für angewandte Physik des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik in Berlin und setzte dort die Röntgenstrahlten als neue Methode ein, um Metalle zu untersuchen. Dabei ging es um die Wechselwirkungen von Kristallen im Kornverband, woraus sich Erkenntnisse für die industrielle Anwendung der Materialien ergaben.

1926 wurde Schiebold planmäßig-außerordentlicher Professor für physikalisch-chemische Mineralogie, Petrographie und Feinstruktur an der Universität Leipzig; 1928 übernahm er die Leitung des Mineralogischen Instituts der Universität. Schiebolds Forschungen hatten eine große Bedeutung für die Schweißtechnik im Brücken- und Behälterbau. 1941 ernannte die TH Dresden ihn zum Leiter des neu gegründeten Versuchs- und Materialprüfungsamts.

1946 wurde Schiebold Hauptreferent der wissenschaftlich-technischen Abteilung des Ministeriums für Baumaschinen der UdSSR, wobei er unter anderem Strukturuntersuchungen durchführte, um Austauschstoffe für Asbeste zu ermitteln. 1951 übernahm Schiebold die Leitung des Deutschen Amtes für Material- und Warenprüfung in Leipzig und widmete sich ab diesem Zeitpunkt der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. 1954 wurde Schiebold Professor für Werkstoffkunde und -prüfung an der neu gegründeten Hochschule für Schwermaschinenbau in Magdeburg, an der er ein Institut ganz nach seinen eigenen Vorstellungen einrichten konnte. Hier befasste er sich mit röntgenologischen Grobstrukturuntersuchungen, Spannungsmessungen, Ultraschall-Materialprüfung und magnetischen Verfahren.

Umfang: Der Bestand umfasst 1 lfm; die Gesamtlaufzeit reicht von 1913 bis 1964 (mit Anreicherungen bis 1999).

 

 

Reinhold von Sengbusch (AMPG, III. Abt., Rep. 42)

Der Botaniker und Pflanzenzüchter Reinhold von Sengbusch (1898-1985) war der Kaiser-Wilhelm sowie der Max-Planck-Gesellschaft über vierzig Jahre seiner wissenschaftlichen Laufbahn verbunden. Von 1927 bis 1937 war Sengbusch Assistent am Kaiser Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung; 1949 wurde er zum Wissenschaftlichen Mitglied des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung berufen, wo er bis 1957 Direktor der Abteilung Kulturpflanzenzüchtung war (bis 1951 Forschungsstelle v. Sengbusch in der Max-Planck-Gesellschaft). 1957 erfolgte die Umberufung zum Wissenschaftlichen Mitglied und Direktor an das Max-Planck-Institut für Kulturpflanzenforschung (bis 1968).

Sengbusch gehört zu den bedeutendsten Botanikern und Pflanzenzüchtern des 20. Jahrhunderts. In den Jahren von 1927 und 1929 gelang es ihm, mit einer selbst entwickelten Schnellbestimmungsmethode alkaloidarme bzw. alkaloidfreie Einzelpflanzen bei den für die Landwirtschaft wichtigsten Lupinenarten zu selektieren. Im Laufe seiner wissenschaftlichen Tätigkeit züchtete von Sengbusch 49 Sorten von 11 verschiedenen Kulturpflanzenarten, darunter die berühmte Erdbeersorte Senga Sengana. Hervorzuheben ist zudem seine Züchtung der einhäusigen Hanf-Sorte Fibrimon.

Umfang: Der Bestand umfasst 3 lfm; die Gesamtlaufzeit reicht von 1927 bis 1976.

Literatur: Hans Stubbe: Reinhold von Sengbusch zum 60. Geburtstag am 16. 2. 1958, in: Der Züchter 28 (1958), S. 1-3; Rainer Reimann-Philipp: Reinhold von Sengbusch 16.2.1898 - 13.6.1985, in: Max-Planck-Gesellschaft. Berichte und Mitteilungen, Heft 5, 1986, S. 101-103; siehe auch 1928-2003. 75 Jahre Institut für Züchtungsforschung. Festschrift, hg. v. Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Köln 2003.

Verwandte Bestände: I. Abt., Rep. 51, KWI für Züchtungsforschung; II. Abt., Rep. 7, Forschungsstelle v. Sengbusch in der KWG/MPG, III. Abt., Rep. 4 A und 4 B, Nachlass Erwin Baur.

 

 

Hans F. Zacher (AMPG, III. Abt., Rep. 134)

Nach verschiedenen Stationen in Bamberg, Erlangen und München erhielt Hans F. Zacher (1928-2015) 1963 den Ruf als Professor für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht an die Universität des Saarlandes. 1971 folgte er dem Ruf der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München und lehrte dort öffentliches Recht. 1980 wurde er zum Wissenschaftlichen Mitglied des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik in München berufen.

Zacher gilt als Begründer des Sozialrechts als Wissenschaftsdisziplin in Deutschland. Als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft von 1990 bis 1996 ist sein Name untrennbar mit dem Aufbau der Max-Planck-Institute in den ostdeutschen Bundesländern verbunden.

Der Nachlass umspannt die umfangreiche wissenschaftliche Tätigkeit Zachers; die Unterlagen seiner Präsidentschaft sind dem entsprechenden Archivbestand zugeordnet.

Umfang: Der Bestand umfasst 30 lfm; die Gesamtlaufzeit reicht von 1954 bis 2016.

Literatur: Ulrich Becker, Hans F. Zacher und die rechtliche Ordnung des Sozialen, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 64 (2016), S. 663-671; Michael Stolleis, Hans F. Zacher und die Begründung des Sozialrechts, in: ebd., S. 673-677

Verwandte Bestände: II. Abt., Rep. 57, Präsident/Präsidialbüro

 

 

Wolfhart Zimmermann (AMPG, III. Abt., Rep. 128)

Der theoretische Physiker Wolfhart Zimmermann (1928-2016) ist in den 1950er Jahren als einer der Pioniere der mathematischen Quantenfeldtheorie bekannt geworden, als er am Max-Planck-Institut für Physik in Göttingen zusammen mit Kurt Symanzik und Harry Lehmann die „LSZ-Theorie“ entwickelte. Ab 1974 war er Wissenschaftliches Mitglied und von 1991 bis 1996 Direktor am Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik in München. Daneben wirkte er seit 1977 als Honorarprofessor an der TU München und absolvierte verschiedene Gastaufenthalte in Princeton, New York und Paris.

Neben seiner Arbeit am LSZ-Formalismus wurde Zimmermann (zusammen mit Klaus Hepp) für die Entwicklung des Bogoljubow-Parasiuk-Renormierungsschemas bekannt. Auch mit Kenneth Wilson (Operatorproduktentwicklung) und Reinhard Oehme (Reduktion von Kopplungsparametern mit Renormierungsgruppenmethoden) verband Zimmermann eine enge Forschungstätigkeit.

Einen Schwerpunkt des Nachlasses bilden die jeweiligen Schriftwechsel mit Hans Joos, Harry Lehmann, Reinhard Oehme, Raymond Stora und Kurt Symanzik. Der Bestand enthält auch Korrespondenz mit Werner Heisenberg und Wolfgang Pauli.

Umfang: Der Bestand umfasst 1,5 lfm; die Gesamtlaufzeit reicht von 1951 bis 2005.

Literatur: Peter Breitenlohner (Hrsg.), Quantum Field Theory- Proceedings on the Ringberg Workshop, Tegernsee 1998, On the Occasion of Wolfhart Zimmermann´s 70. Birthday (Lecture Notes in Physics 558), Berlin 2000.

Verwandte Bestände: II. Abt., Rep. 26, MPI für Physik und Astrophysik; III. Abt., Rep. 93, Nachlass Werner Heisenberg; III. Abt., Rep. 107, Nachlass Julius Wess

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