Archiv der Max-Planck-Gesellschaft

Infobrief Nr. 3:  Löschgebot oder Archivierungspflicht? - Archiv und Datenschutz

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Archivieren statt Löschen! – Die archivische Anbietungspflicht hat Vorrang vor Löschgeboten und erfüllt zugleich datenschutzrechtliche Erfordernisse: Archivieren ist ein Löschungssurrogat. Eine aktenführende Stelle verhält sich compliant auch im Sinne des Datenschutzes, wenn sie personenbezogene Daten vor dem Löschen dem Archiv anbietet und die Daten ggf. archivieren lässt.


Archivrechtliche Bestimmungen haben viel mit Datenschutz zu tun. Sie sind selbst ein bereichsspezifisches Datenschutzrecht. Zugleich tragen sie, je nach Archivträger, in immer stärkerem Maße zu Rechtskonformität und Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und Demokratiewahrung oder auch zur Forschungsförderung bei.

In jedem Fall ist die Anwendung des Archivrechts dazu da, die Rechte Betroffener zu wahren, ohne dabei Informationen und Wissen zu verlieren.

Im Infobrief Nr. 2 des Archivs wurde die Anbietungspflicht des Archivstatuts der MPG vorgestellt. Die Regelung besagt, dass alle Stellen der GV und die MPI ihre Unterlagen in einem gewissen Rhythmus dem zentralen Archiv der MPG zur Bewertung und Übernahme anbieten.

Unter dem Eindruck der DSGVO hört man immer häufiger von Löschgeboten. Man fragt sich: Wie ist eigentlich das Verhältnis von Löschen und Archivieren geregelt?

Die Anbietungspflicht umfasst sämtliche Unterlagen, analog und digital, darunter auch personenbezogene Daten und solche, die nach anderen Rechtsvorschriften gelöscht werden müssen.
Damit kommt es zu einer Kollision von Datenschutz und Archivierungsauftrag, von Persönlichkeitsrechten und Anbietungspflicht.
Müssen nicht bestimmte Unterlagen schon vor und damit anstatt der Anbietung an das Archiv gelöscht  werden, um dem „Recht auf Vergessenwerden“ zu entsprechen?

Die Antwort lautet: nein. Das Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO findet seine Grenzen, wenn archivische Belange geltend gemacht werden können. Der Vorrang archivischer Zwecke vor dem „Recht auf Vergessenwerden“ wird ausdrücklich anerkannt und unmittelbare Löschgebote für Archivzwecke aufgehoben. Genauer: Die Archivierung von Unterlagen ersetzt spezialgesetzliche Löschgebote.

Mit Art. 17 Abs. 3 lit. d) ist dieses Löschungssurrogat richtiggehend ein Element der DSGVO. Damit ist rechtlich die uneingeschränkte Aufgabenerfüllung des Archivs gewährleistet. Dem somit etablierten Grundsatz Archivieren = Löschen entspricht auch die Kollisionsnorm im Statut für das Archiv der MPG (§ 6 Abs. 2 und 3).


Wie kann das sein?

Zweck der Löschgebote ist zweifelsohne der Schutz personenbezogener Daten. Das Archivieren und die archivrechtlichen Schutzfristen gewähren diesen Schutz in ähnlicher, ja noch umfassenderer Weise, nämlich bis zu 10 Jahren über den Tod einer Person hinaus (§ 9 Abs. 1 Archivstatut).

Archivieren als Löschungssurrogat heißt also: Die vom Archiv als archivwürdig bewerteten Unterlagen werden zu Archivgut umgewidmet, und der Schutz der personenbezogenen Daten funktioniert von da an nach den Bestimmungen der archivrechtlichen Schutzfristen.

Für den Anbietungs- und Übernahmeprozess ist zusätzlich Folgendes zu beachten: Was nicht durch das Archiv als archivwürdig bewertet und also auch nicht archiviert wird (archivfachlich Kassation genannt), ist nach der Bewertung alsbald zu löschen bzw. zu vernichten.

Somit lässt sich sagen: Der Vorgang der archivischen Bewertung in Folge der Anbietungspflicht löst in jedem Fall ein finales Lösch- bzw. Vernichtungsgebot aus – entweder durch die tatsächliche Archivierung als Löschungssurrogat oder aber durch die Bewertungsentscheidung „nicht archivwürdig“, die ebenfalls ein Löschen bzw. Vernichten der Unterlagen an der Stelle ihrer Entstehung fordert.

Auf diese Weise wird zwischen Datenschutz und Archivierung keine Hierarchie und kein wirklicher Vorrang etabliert, sondern eine Balance zwischen dem Schutz von Persönlichkeitsrechten und einem für den Archivträger ebenso wie für Forschung und Öffentlichkeit bedeutsamen Wissensmanagement hergestellt.

 

 




 


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